Intelligent unterwegs in der Stadt
ProClim Flash 73
Moderne Verbrennungstechnik und Erdöl im Überfluss revolutionierten unsere Mobilität und liessen Distanzen schrumpfen – auf Kosten der Umwelt. Können Digitalisierung und Künstliche Intelligenz diesen Schaden wieder richten?
Text: Oliver Inderwildi, ProClim und Cambridge Cares Singapur und Markus Kraft, Cambridge Cares Singapur
Im Jahre 1872 brach Phileas Fogg im Roman von Jules Verne mit seinem Butler vom Londoner Reform Club aus auf, um unter anderem mit Heissluftballon und Elefanten die Welt in weniger als achtzig Tagen zu umrunden. Heutzutage würde diese Reise zwei Fahrten mit der U-Bahn sowie drei Flüge umfassen – man stünde nach 48 Stunden wieder auf der Pall Mall in London. Innert hundert Jahren wurde die Reise dank der modernen Mobilität vierzigmal schneller. Nur: Die Technologie dazu beruht auf fossilen Treibstoffen und verursacht 17 Prozent der globalen CO2-Emissionen1.
Mit den kommenden technologischen Quantensprüngen, die von der Digitalisierung ausgehen, können wir das fossile System aber optimieren, dekarbonisieren und den Umwelteinfluss der Mobilität stark verringern. Die urbane Mobilität wird hier eine Vorreiterrolle einnehmen. Digitale Leitsysteme lenken schon heute den Verkehr zu Stosszeiten und nutzen so die bestehende Infrastruktur besser aus. Dies spart Zeit, Geld und vor allem CO2 und sorgt wegen weniger Schadstoffemissionen für sauberere Luft.
Digitale Leitsysteme simulieren die Wirklichkeit
Solche Leitsysteme basieren auf einer digitalen Nachbildung der realen Systeme. Neben der Optimierung des Status quo können damit auch tiefgreifende Neuerungen geplant und simuliert werden. Zeigen diese die gewünschte Wirkung, können sie in der Realität angewandt werden. Das hilft nicht nur, Emissionen zu reduzieren, sondern auch die Kosten des Übergangs zu einem nachhaltigen Energie- und Transportsystem niedrig zu halten.
Dank Künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich die Leitsysteme in Zukunft nochmals stark verbessern. Entscheidungsträgerinnen und -träger haben damit ein hervorragendes Planungswerkzeug zur Hand. Es wird den Transport von Menschen und Gütern noch effizienter machen und den ökologischen Fussabdruck, insbesondere die CO2-Emissionen, weiter verringern.
Intelligentes Laden von Elektroautos
KI wird auch helfen, den Transport zu elektrifizieren, ohne das Stromnetz zu überlasten. Zum Beispiel durch koordiniertes Laden der Batterien (siehe Abbildung): Die Maschinenintelligenz weiss, welches Elektrofahrzeug für eine bestimmte Strecke wieviel Strom benötigt, lädt dieses nur so viel auf wie nötig und entlastet damit das Netz. Umgekehrt kann eine smarte Steuerung das Laden forcieren, um Stromproduktionsspitzen auszugleichen. Solche können auftreten, wenn an Sonnentagen überdurchschnittlich viel Solarstrom eingespeist wird. Die zunehmende Verschmelzung von Transportsystemen und Stromnetzen ist für ein nachhaltiges Energiesystem essenziell.
Natürlich sind digitale Methoden nicht die alleinige Wunderlösung für eine nachhaltige Mobilität. Aber sie werden in vielen Bereichen einen signifikanten Teil der Lösung liefern2. Wir halten Sie auf dem Laufenden.
Referenzen
1 Inderwildi O, Sir King D (2012) Energy, Transport & the Environment: Addressing the Sustainable Mobility Paradigm. Springer.
2 Inderwildi O, Kraft M (2021) Intelligent Decarbonisation. Springer.