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Der Dachverband der Anthropologinnen und Anthropologen der Schweiz vertritt die Interessen des Fachs gegenüber der Öffentlichkeit und den Behörden. Seine Mitglieder setzen sich vorwiegend aus naturwissenschaftlich orientierten Fachleuten zusammen.

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«Einbezug der Geschlechtervielfalt ist gut für die Wissenschaft»

Carte blanche für Astrid Oberson Dräyer, Carmen Faso und Didier Picard

18.4.2023 – Die Erwartung, dass sie genauso sein und handeln müssen wie ihre männlichen Kollegen – insbesondere in Bezug auf die Erfüllung von Exzellenz-Kriterien –, veranlasst viele Frauen dazu, die Wissenschaft nach ihrem Doktorat oder ihrem Postdoktorat zu verlassen. Um dieser «Leaky Pipeline», also der Abnahme des Frauenanteils in höheren Positionen, entgegenzuwirken, ist ein breiteres Spektrum an akzeptierten Karrieren, Verhaltensweisen und Arbeitsmodellen erforderlich.

Carte Blanche / Astrid Oberson Dräyer, Carmen Faso, Didier Picard
Bild: zvg

Der Artikel gibt die persönliche Meinung der Autorinnen und Autoren wieder und entspricht nicht notwendigerweise dem Standpunkt der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT).

(Unbewusst) wird von Frauen immer noch erwartet, dass sie wie ihre männlichen Kollegen sein und handeln müssen, insbesondere in Bezug auf die Erfüllung von Exzellenz-Kriterien. Paradoxerweise findet sich diese Erwartung häufig im Lehrplan von Führungslehrgängen, die sich speziell an Frauen in Führungspositionen richten. Dieser zielgruppenorientierte Ansatz ist zwar gut gemeint, suggeriert jedoch, dass Frauen etwas lernen müssen, was ihre männlichen Kollegen bereits beherrschen und folglich nicht weiter vertiefen müssen. Durch die Entwicklung erfolgreicher und nachhaltiger Führungsmodelle für Hochschulen, die auf Integrität basieren und sich an erreichbaren und transparenten Exzellenz-Kriterien orientieren, werden gerechtere und attraktivere Arbeitsumfelder zur Förderung erstklassiger Wissenschaft geschaffen.

Geschlechtergleichstellung bedeutet nicht Geschlechtergleichheit

Wir möchten betonen, dass Gleichstellung nicht gleichbedeutend mit Gleichheit der Geschlechter ist. Es gibt neurobiologische Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Durch das soziokulturelle Umfeld werden geschlechtsspezifische Unterschiede zusätzlich geprägt und verstärkt. Diese Tatsache unterstreicht die Notwendigkeit von Diversität sowie eines breiteren Spektrums an akzeptierten Verhaltensweisen und Arbeitsmodellen. Zu den aktuellen Exzellenz-Kriterien gehören Wettbewerbsfähigkeit, Mobilität, Wissenschaft als einzig legitimes Interesse und einzig sinnvolle Tätigkeit sowie uneingeschränkte Arbeitsbereitschaft in Verbindung mit vielen Jahren in Tieflohnstellen und Arbeitsplatzunsicherheit. Diese unattraktiven Arbeitsbedingungen haben bis anhin männliche Akademiker begünstigt, die in ihrem Privatleben grosse Unterstützung von ihren Ehefrauen oder von Hausangestellten erhielten.

Gleichstellung ist von entscheidender Bedeutung für die Gesellschaft

Es sind sich wohl alle einig, dass Gleichstellung – und darunter verstehen wir Gleichbehandlung und Chancengleichheit – nicht nur gerecht, sondern auch entscheidend dafür ist, dass eine Gesellschaft unabhängig von Geschlecht und Herkunft von der Vielfalt der Fähigkeiten und Kenntnisse ihrer Mitglieder profitieren kann. Warum also hat sich dieses höchst erstrebenswerte Ziel als so schwer realisierbar erwiesen? Was steht der Schaffung einer gerechten und diversen Belegschaft an Universitäten und Hochschulen im Weg? Und wie können wir diese Probleme angehen und letztlich lösen?

Im Herbst 2021 wurden in einer neunteiligen Webinarreihe, die von der Plattform Biologie der SCNAT organisiert wurde, mögliche Antworten und konkrete Lösungen erörtert. Das übergeordnete Thema war die sogenannte «Leaky Pipeline». Der Begriff steht für den sinkenden Anteil von Frauen mit Hochschulabschluss in höheren und Führungspositionen in der Forschung sowie in wissenschaftlichen und akademischen Spitzenpositionen. Die identifizierten Lösungen und Massnahmen setzen auf individueller, kollektiver und institutioneller Ebene an. Ihre Umsetzung erfordert oft Zeit, wobei es noch viele Herausforderungen zu bewältigen gibt, bis umfassende und aussagekräftige Ergebnisse sichtbar werden.

Es gibt viele Gründe dafür, weshalb junge Forschende – hauptsächlich Frauen, aber auch Männer –, die ein ausgeglicheneres Leben anstreben, Schwierigkeiten haben, ihren Platz in der Welt der Wissenschaft zu finden, und letztlich oft einen anderen Weg einschlagen.

Einige konkrete Ideen für positive Veränderungen

Wir sollten

  1. alternative Arbeitsbedingungen, die Frauen (und Männer) attraktiv finden, weiter erforschen. Diese Bedingungen könnten sich an der Privatwirtschaft orientieren und Aspekte wie Teilzeitarbeit, Beschäftigungsstabilität, faires Gehalt, flexible Arbeitszeiten usw. miteinbeziehen;
  2. Familien und junge Eltern bestmöglich unterstützen – insbesondere durch erschwingliche, verfügbare und flexible Kindertagesbetreuung – und durch die Sicherstellung eines gleichwertigen und flexiblen Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaubs für beide Elternteile echte Gleichstellung und Diversität fördern;
  3. die aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen in künftige Bewertungs-, Einstellungs- und Finanzierungskriterien einbeziehen und berücksichtigen. Zum Beispiel durch das Anbieten von Teilzeitarbeit ohne Nachteile oder geteilte Führungspositionen in der Wissenschaft;
  4. geschlechtsspezifische Vorurteile in Bezug auf Fähigkeiten beseitigen, indem wir allen neuen (männlichen bis weiblichen) Führungskräften eine Führungsausbildung anbieten. Diese Kurse sollten die Vielfalt verschiedener Führungsmodelle fördern und würdigen. Das bedingt gründliche Überlegungen seitens der Institutionsleiter, der Entscheidungsträger im Hochschulbereich sowie auf Ebene der Strategieentwicklung;
  5. natürlich auch das Bewusstsein für Stereotype und oft unbewusste Vorurteile auf allen Ebenen des akademischen Systems schärfen.


Astrid Oberson Dräyer ist leitende Wissenschaftlerin an der ETH Zürich und ehemalige Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften (SGPW). Carmen Faso ist Professorin an der Universität Bern und Co-Präsidentin der Plattform Biologie der SCNAT. Didier Picard ist emeritierter Professor der Universität Genf und ehemaliger Präsident von Life Sciences Switzerland. Sie alle waren Mitglieder des Organisationskomitees der Webinarreihe «Achieving Gender Equality and Diversity in the Natural Sciences» (Gleichstellung der Geschlechter und Diversität in den Naturwissenschaften) im Jahr 2021 und danken Caroline Reymond, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Plattform Biologie der SCNAT arbeitet, für ihre Unterstützung und Mitarbeit an diesem Text.

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